Donyell Malen: Was immer noch falsch läuft

Jan
7 min readJan 19, 2022

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Für €30M verpflichtete der BVB Donyell Malen von der PSV Eindhoven im letzten Sommer. Es gab kritische Stimmen die meinten, dass Malen kein Flügelspieler sei und aufhorchten, als Marco Rose von „Lösungen“ sprach in der Kompensation von Jadon Sancho’s Abgang. „Kommt noch ein weiterer Flügelspieler?“ — das fragten sich viele Fans. Es kam aber keiner. „Also werden wir Raute spielen!“ — Aber nein, es wird voranging ein 4–3–3 gespielt. Und daran leidet Malen. Welcher dazu massive Umstellungsprobleme aufwies. Ein Überblick und Lösungen.

Die Umstellung

Nach seinem Kreuzbandriss startete Donyell Malen bei der PSV sofort wieder durch und war unverzichtbar. In Folge einer starken Saison spielte Malen ebenso bei der Europameisterschaft mit. Doch auch wenn das letzte Spiel bei der EM und der Verpflichtung Malen’s knapp ein ganzer Monat trennt, war die Pause für den Nationalspieler der Elftal wohl doch etwas zu kurz.

Schon in den ersten Tagen machte Marco Rose bei Donyell Malen erhebliche Defizite im körperlichen, wie im defensivtaktischen Bereich aus. Verwunderlich für einen gestandenen Vollprofi, welcher zuvor unter Roger Schmidt aggressives Angriffspressing und Umschaltspiel spielte. Die Umstellung auf ein ligaweit schnelleres Spiel, einem neuen Umfeld und die Kreuzbandverletzung in der vorherigen Saison könnten hier eine Rolle spielen. Es lässt sich aber nur spekulieren.

Malen verletzt sich am Kreuzband

Tatsache ist allerdings, dass Malen bis spät in das Jahr hinein auch öffentlich von Rose gesagt bekommen hat wo noch viel Verbesserungspotenzial liegt. Körperlich und defensiv. Dies wurde aufarbeitet und schien in den letzten Wochen auch deutlich besser geworden zu sein. Die Bewegungen wurden agiler, die Sprints intensiver und die Laufwege nach hinten länger. Das aktuelle Niveau bietet weiterhin Luft nach oben, sollte aber als aktuell solide eingestuft werden.

Diese fehlende körperliche Fitness könnte den etwas lethargisch wirkenden Malen vom Anfang der Saison erklären. Zu Gute halten muss man dem 23-Jährigen allerdings den Willen es auf dem Platz trotzdem besser zu machen. Nur fehlte dafür bisher das Getriebe, um den Motor richtig ins Laufen zu bringen.

Der fehlende Breitengeber

Schaut man sich das Offensivspiel von Borussia Dortmund mit Erling Haaland zusammen mal genauer an, fällt eines sofort auf: Es wird ein 4–3–3 gespielt. Der linke Flügelspieler häufig sehr weit außen, sodass Raphael Guerreiro in den Halbraum rücken kann und somit vom Linksaußen die Breite gehalten werden muss. Das Problem: Hier spielt ein Halbstürmer und kein Breitengeber.

Dortmund’s Staffelung gegen St. Pauli

Auch im Laufe der Hinrunde wurde Malen oft weit Außen aufgestellt. Grundsätzlich kein Problem, da er diese breite Position in der Theorie oft verlassen und sich in Box-Nähe begeben könnte — tat er allerdings viel zu selten. “fbref.com” zu Folge kommt Donyell Malen einzig auf einen xG-Wert von 2,2 — ein äußerst schwacher Wert. In der Champions League auf 1,8xG — Hier sei allerdings erwähnt, dass sein “Einschieben” gegen Lissabon im Rückspiel sicherlich knapp 50% dieses Wertes einnimmt. Nur mal zum Vergleich: Marco Reus kommt in der Liga auf einen Wert von 6,8 (Ohne Elfmeter!) und Jude Bellingham selbst aus einer tieferen Position heraus auf 3,3. Malen kommt somit zu knapp der Hälfte der Qualität von Torchancen wie Marco Reus.

Schaut man sich die Spiele von Malen auf den Flügelpositionen allerdings genauer an, fällt auf, wie mannschaftsdienlich er von hier weg gespielt hat. Der eigentliche Stürmer hatte kein Problem damit in einer “rather pass than shoot”-Rolle mehrere wichtige Bälle für die Mitspieler festzumachen oder das fehlende Profil im Kader zu geben. Und da sind wir schon beim nächsten Punkt: Der fehlende Breitengeber.

Ließt man so ein bisschen zwischen den Zeilen und ordnet Transfergerüchte des Sommers ein, erkennt man dass der BVB daran bemüht war einen weiteren “echten” Flügelspieler zur Ergänzung zu verpflichten. Während dies schon vor dem Abgang von Jadon Sancho als völlig überfällig galt, verschärfte sich die Situation letzten Sommer — doch es kam kein Flügelspieler.

Noni Madueke und Callum Hudson-Odoi stellten hier wohl die heißesten Kandidaten da. Aber warum denn niemand anderes? Die Ideallösung gab es nicht. Und Alternativen schienen zu teuer gewesen zu sein. Im Winter fehlt das Geld und der Markt, um hier nachlegen zu können. Der Leidtragende? Donyell Malen. Aufgrund seiner Dribbelstärke und Dynamik grundsätzlich hier nicht schlecht aufgehoben, muss er diese Rolle nun gezwungenermaßen ausfüllen. Der Plan war aber ein völlig anderer, das sollte erwähnt sein.

“Aber warum denn keine Raute?”

Nicht wenige hatten mit einem 4–4–2 Raute als primäres System diese Saison gerechnet. Und das war wohl auch die Idee. Denn warum hätte Marco Rose denn sonst in der etwas späteren Phase der Vorbereitung und Anfang der Saison hauptsächlich dieses System wählen sollen? Durch unzählige Verletzungen und Problemen beim Halten der Breite aus diesem System heraus wurde in der mittleren/späteren Phase auf ein “echtes” 4–3–3 umgestellt. Zwischenzeitlich wurde auch wieder Dreierkette gespielt, bis diese aufgrund von weiterer Probleme eingestellt wurde. Das 4–3–3 oder 4–2–3–1 waren wiederum die vertraute Anordnung vieler Schlüsselspieler.

Es darf nicht vergessen werden, dass aufgrund von verkürzter und durch Verletzung noch zusätzlich erschwerter Vorbereitung schlicht die effektive Zeit zur Einübung mehrer Prinzipien in dieser Anordnung fehlte. Wie bereits angedeutet war die Flügelbesetzung auf beiden Seiten immer ein Manko und wurde gegen Hinrunde-Ende vorerst mit einem etwas breiteren 4–3–3 angepasst.

Malen hat definitiv das Potenzial für den BVB

Nicht Wenige haben Donyell Malen als “zu schlecht” für den BVB eingeordnet. Während das auf den ersten Blick und dem Ausblenden der Umstände eine gerechtfertigte Sichtweise ist, stellt dies nicht das Gesamtbild da. Das Potenzial eines Spielers lässt sich nicht direkt durch die Leistungen bestimmen, sondern durch seine “Waffen” im eigenen Spiel, welche er ausspielen kann. Und hiervon hat Malen eine ganze Menge.

Wie bereits beschrieben verfügt Malen über eine grundsätzlich tolle Athletik. Explosiver Antritt, perfekte Koordination, super Balance, gewisse Grundstärke und eine enge Ballführung. Das alleine macht Malen schon zu einem interessanten Spieler in der heutigen Zeit des Fussballs. Hinzu kommen allerdings noch Attribute wie eine mehr als vielversprechende Schusstechnik, starke Reaktionen, souveränes Spiel mit Rücken zum Tor und intelligente Laufwege. Es kommt nicht von ungefähr, dass Malen diese Rolle am Ehesten ausfüllen sollte.

All diese Plus Punkte im Profil hat man in Ausschnitten bereits gesehen. Sei es die Vorarbeit zum 1:0 gegen Union Berlin, wo Malen hervorragend einen Ball für Guerreiro festmacht, die technische Finesse beim Tor gegen Greuther Fürth oder das exzellente Siegtor beim 1:0 Heimerfolg gegen Sporting Lissabon. Hinzu kommen mehrere Dribblings von Außen in die Mitte abgeschlossen mit einem vielversprechenden Torschuss aus unkonventionellen Winkel. Hier fehlt noch etwas das Glück und der Mut, die Fähigkeiten sind aber da.

Besonders die viel kritisierte Spielintelligenz würde ich aber gerne an einem Beispiel nochmal bestärken. Hierfür verwende ich Bilder von @AlexAlxalix von Twitter zur Analyse des oben angesprochenen Siegtors gegen Sporting Lissabon.

Malen analysiert die Situation und orientiert sich vor: Tolles Spielverständnis

Malen erkennt früh die anschließende Option und bereitet seinen Tiefenlauf durch einen intelligenten Bogen ein. Hiermit nimmt er früh Dynamik auf, zieht Coates (seinen direkten Gegespieler) raus und bietet Bellingham einen besseren Passwinkel. All dieses Vorausdenken leistet er in Sekunden.

Malen startet in die Tiefe

Malen wählt geschickt den Laufwege durch die Schnittstelle und passend für Bellingham’s rechten Fuss.

Abschluss, Tor: Malen’s erstes Tor für den BVB

Mit seiner tollen Geschwindigkeit nutzt Malen die Chance und verwertet zum 1:0. Wer sich an dieses erinnert weiss, dass er hier dem Druck von Coates super standhält, körperlich stabil bleibt und bedacht, wie platziert, ohne Gewalt linksunten einschiebt. Dieses Tor unterstreicht Malen’s Qualitäten einmal mehr. Und sind wenn richtig eingesetzt auch €30M wert.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Problem in der fehlenden spielerischen Breite wird sich personell wohl aufgrund des Ausbleibens von finanziellen Mitteln diesen Winter nicht lösen lassen. Ob sich die Defizite in dem durchaus engen Spielplan trainingstaktisch lösen lassen darf zumindest bezweifelt werden. In der anstehenden zwei-wöchigen Trainingsphase dürfen andere Punkte auf dem Programm stehen.

Langfristig gehört Malen in die offensive linke Halbspur. Um in diesem Bereich auch den nötigen Platz zu haben um seine Stärken auszuspielen, sollte die rechte Halbspur bzw. das Zentrum ebenso besetzt werden. Als alleinigen Stürmer sehe ich Malen nicht. Aber in einem Doppelsturm: Bestenfalls in einer Raute oder gar 3–5–2.

Hier mal eine Idee mit Adeyemi als weiteren potenzielle Neuzugang und Hazard als Breitengeber Links. Dies würde Guerreiro erlauben den geliebten linken Halbraum zu besetzen. Bellingham von Rechts immer in den 10ner Raum stoßend und von Dahoud wie Can abgesichert. Für eine noch bessere Konterabsicherung würde sich ein schnellerer linker Innenverteidiger (Nico Schlotterbeck) oder 6er (Denis Zakaria) selbstverständlich anbieten.

In einer Dreierkette lässe sich das Ganze ggf. noch besser absichern. Hier müsste Guerreiro allerdings etwas mehr die Breite halten oder im Wechselspiel mit bspw. Reyna von der 10 weg agieren. Lösungen gibt es. Diese müssen allerdings erst trainiert werden. Auch ein körperlicherer Spielertyp im Zentrum für sich hier anbieten.

Fazit

Es lässt sich also sagen, dass Malen im Zuge der Umstellung zur neuen Liga und Eingewöhnung etwas Zeit benötigte. Hinzu kam die Aufarbeitung von körperlichen und defensiven Defiziten, welche ihm weniger Kraft in seinem Spiel gab. Zusätzlich kommt die wshl. bis Saisonende anhaltende ungeliebte Breitengeberrolle, wo er zu weit Außen spielt, dazu. Mit einer kompletten Sommervorbereitung, taktischen Anpassungen und anderem Personal wird Marco Rose Donyell Malen zur Bestform bringen. Evtl. schon in dieser Saison, aber wohl sicher zur Kommenden. Das Geld wird sich noch gelohnt haben.

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