Kaderplanung: Borussia Dortmund 22/23 (Teil 1)

Jan
9 min readApr 13, 2022

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Alle Jahre wieder und von mir mindestens 40 mal im Jahr: Die Kaderplanung des glorreichen BVBs. Besonders dieses Jahr dürfte spannend werden, da die Kassen etwas voller sind und der Wille für einen echten Umbruch erkannt wurde. Aber: Es wird nicht alles klappen. Ein Überblick und Ansätze.

Was braucht der BVB?

Bevor wir uns damit beschäftigen, wen der BVB verpflichten oder abgeben soll, muss erstmal geklärt werden was er braucht. Allen voran: Eine Identität. Um diese erfolgreich entwickeln zu können braucht es Kompetenz, Kontinuität, Kapital und einen klaren Plan.

Für Kompetenz ist mit Marco Rose, Edin Terzic und Sebastian Kehl gesorgt. Kontinuität muss den Verantwortlichen und dem Team durch die Geduld der Fans ermöglicht werden. Für Kapital kann im Sommer gesorgt werden. Die Finanzen des BVB erlauben keinen kompletten Umbruch mit mehreren 50 Mio + Paketen, aber sie bieten einen ordentlichen Spielraum. Gerade mit Verkäufen.

Um diese Kontinuität erfolgreich zu entwickeln, wird darüber hinaus ein klare (Spiel)philosophie benötigt. Möchte man direkt Titel gewinnen, oder möchte man etwas Nachhaltiges aufbauen? Soll Pressing- und Umschaltfussball gespielt werden oder auf Ballbesitzfussball? Anhand dieser beiden “Key-Parameter” gilt es den Kader auszurichten. Die Antwort auf die obigen Fragen sollte, meiner Meinung nach, übrigens lauten: Etwas Nachhaltiges und mit Pressing- und Umschaltfussball. Dafür steht Marco Rose und dafür steht eigentlich auch Borussia Dortmund.

Mit wem kann der BVB planen?

Bevor man diese Frage mit Namen final beantworten kann, muss erstmal bestimmt werden, nach welchen Attributen gesucht werden sollte, um seine geplante Identität zu entwickeln:

Allgemein:

  • Hohe Arbeitsmoral und Aufopferungswille
  • Hohe naturelle Fitness
  • Professionelle Arbeitseinstellung
  • Gesunde Grundaggressivität, Intensität und Tempo
  • Hohe Identifikation
  • Erfahrungen im Pressing- und Umschaltfussball

Aktuell fallen besonders die fehlende Dynamik, Intensität und taktische Verlässlichkeit auf. Es wirkt so, als würde eine Mannschaft mit einzelnen Individualisten in einem System spielen, für das sie nicht gemacht sind und dabei soviel im Unterhalt kosten, als würden sie durchgehend überzeugend um Titel mitspielen, wenn nicht sogar diese gewinnen. Zudem sind mehrere Spieler mit der geforderten Intensität überfordert, was sich primär in Muskelverletzungen und müden Auftritten äußert. Ausfälle können nicht ädäquat aufgefangen werden, da es hierfür an einem gut strukturierten Kader scheitert. Das muss sich ändern. Zukünftig sollten neben sportlichen Qualitäten und Wiederverkaufswert, auch diese Grundattribute eine wichtige Rolle in der Planung spielen.

Das Ganze könnte man noch weiter für einzelne spielerische Attribute auf einzelne Positionen ausführen. Da dies den Rahmen sprengen würde, werde ich meine Argumentation für oder gegen einzelne Spieler dementsprechend aufbauen und verdeutlichen, auf was es dort für mich ankommt.

Mehr als nur absehbare Tätigkeiten wurden bereits mit einkalkuliert.

Von wem sollte der BVB sich trennen?

Mit Hinblick auf die Vertragssituation muss besonders bei folgenden Spielern eine Abwägung getroffen werden:

  • Raphael Guerreiro
  • Mo Dahoud

Aus Sicht des Kosten-Nutzen-Verhältnisses stehen folgende Akteure unter genauer Beobachtung:

  • Nico Schulz
  • Emre Can
  • Thomas Meunier
  • Julian Brandt
  • Thorgan Hazard
  • Marius Wolf

Raphael Guerreiro

Einer der besten Linksverteidiger der Welt, spielerisch der wahrscheinlich beste Spieler im Kader, aber trotzdem mit klar sichtbaren Defiziten. Fehlende Athletik, hohe Ausfallraten und defensiv nicht für einen Außenverteidiger würdig. Raphael Guerreiro wird dieses Jahr 29 und unterschreibt voraussichtlich seinen letzten großen Vertrag mit einem mehr als nur lukrativen Gehalt. Die Verletzungen werden mit stetigem Alter und noch intensiver werdenden Spiel, eher mehr als weniger und an den Defiziten lässt sich nicht arbeiten.

“Rapha” ist kein Spieler, welcher in ein Pressing- und Umschaltfussball-Konstrukt als Schlüsselspieler gehört. Gerade ein aggressives Pressing erfordert Spieler, welche diese Spielweise zuverlässig umsetzen können. Setzt hier auch nur einer aus, war der Aufwand Anderer redundant und man läuft in einen Konter.

Und Guerreiro ist leider ein Spieler, welcher hier Vorgaben nicht immer zuverlässig umsetzt. Zudem fehlen ihn die Grundattribute für ein intensives Pressing- und Umschaltsystem.

Ebenso dürfte der Noch-28-Jährige einen guten Markt haben, welcher eine vielversprechende Ablöse einspielen dürfte. Kapital, welches der BVB dringend benötigt.

Fazit: Klarer Verkaufskandidat

Mo Dahoud

Ebenso wie Guerreiro fußballerisch einer der besten Spieler im Kader, aber ebenso mit leichten — auch wenn nicht eklatanten — Defiziten im Bereich Dynamik, Intensität (auf lange Strecke), aber vor allem Konstanz und taktischer Zuverlässigkeit. Zu oft verlässt Dahoud seine Position und stellt die “Restverteidigung” somit vor riesige Probleme. Besonders auffällig: Das Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen. Und wenn Dahoud nicht ins unmittelbare Gegenpressing auf die ersten Meter kommt, fehlt es ihn an Geschwindigkeit über längere Strecke den Ball zurück zu erobern. Auf der 8, wo er mit seinen Stärken und Schwächen besser aufgehoben wäre, fehlt es ihm ebenso ein stückweit an Athletik. Aber allen vor an: Es gibt bessere Alternativen, welche weniger als er verdienen. Lt. BILD, eine mit Vorsicht zu genießene Quelle, verdient der 26-Jährige knapp €5M.

Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass Dahoud als flexibler Kaderspieler und seinen Unterschiedsfaktoren eine wichtige Rolle spielen kann. Zudem hat er zumindest die intrinsische Motivation für das Pressing und ist auf die ersten Meter griffig. Es ist nur nicht die 1A-Lösung.

Mit Hinblick auf die Vertragssituation muss man eine Entscheidung diesen Sommer treffen. Eine Trennung gegen Ablöse diesen Sommer wäre nicht falsch, mit Hinblick auf die weiteren Baustellen wäre ein Verbleib tendenziell sinnvoller. Nur, hier der Haken, es sollte keine langfristige Verlängerung sein. Maximal zwei weitere Jahre oder ablösefreier Abgang 2023. Mit seiner Identifikation und Flexibilität (6er oder 8ter) ein wertvolles Kadermitglied.

Fazit: Verlängerung um ein weiteres Jahr, vorzeitiger Abgang oder ablösefreier Abgang 2023

Nico Schulz

Hier bedarf es keiner ausführlichen Erklärung. Der Spieler ist viel zu teuer für das, was er leistet.

Fazit: Klarer Abgangskandidat

Emre Can

Individuell einer der besten Spieler im Kader, welcher mit seinem grundsätzlichen Spielstil und der gebotenen Variabilität ein wichtiger Bestandteil des Kaders sein kann. Das Problem: Can steht aktuell für viel, was man beim BVB nicht mehr sehen möchte. Selbstüberschätzung, hohe Fehler- und Ausfallrate und zu teuer im Unterhalt. Lässt sich ein Abnehmer finden, wäre das eingesparte Gehalt und solide Ablösesumme mehr als nur Willkommen. Ein Verbleib wäre mit Hinblick auf die Vertragssituation (bis 2024) und der Flexibilität, wie seinem Grundniveau, aber verschmerzbar. Im Idealfall trennen sich die Wege allerdings.

Fazit: Möglicher Abgangskandidat

Thomas Meunier

Eine ähnliche Situation wie bei Emre Can. Grundsätzlich kann Meunier der Mannschaft viel geben, zeigt dies nur zu selten. Ich sehe ihn allgemein nicht so kritisch wie der Großteil auf Twitter, sehe aber die Rahmendaten:

  • Wird dieses Jahr 31
  • Verletzungsanfällig
  • Sehr hohes Gehalt
  • Sportlich nicht unverzichtbar

Mit der Vakanz auf dem RV-Markt und den eigentlich vielversprechenden Leistungen unter Rose wäre Meunier ein Spieler, welchen ich behalten würde. Erhält man allerdings ein lukratives Angebot, sollte man dieses ernsthaft in Erwägung ziehen.

Fazit: Tendenz zu Verbleib, aber nicht unverzichtbar

Julian Brandt

Zwischen Genie und Wahnsinn, aber leider trotz klarer Stabilisierung noch zu oft Wahnsinn. Inkonstanz und fehlende Zweikampfhärte sind Themen, welche Julian Brandt schon die ganze Karriere über begleiten. Jetzt, nach einer guten Saison, wäre der ideale Zeitpunkt für eine gute Ablösesumme “auszucashen“.

Grundsätzlich aber ein Spieler, welchen man aus sportlicher Sicht noch ein weiteres Jahr behalten könnte, aber eben nicht muss. Marco Rose scheint dies aber etwas deutlicher zu sehen und zeigte es Brandt mit fünf Mal Bank hintereinander — trotz äußerst dünner Personallage.

Fazit: Verbleib wäre verkraftbar, Trennung wäre aber richtig

Thorgan Hazard

Zu wenig Dynamik, fehlender Unterschiedsfaktor, aber aufopferungsvoll und flexibel. So schwach die Saison von Hazard ist und so wenig man eigentlich zukünftig erwarten kann: Es dürfte schwierig sein bessere, so flexible, Kaderspieler zu bekommen. Hier sollte man sich aber die Frage stellen: Braucht man flexible, teure, Kaderspieler oder Qualität? Der BVB braucht Qualität. Und diese bringt Thorgan Hazard leider nicht mehr mit. Das fehlende Tempo macht es für ihn immer schwieriger. Mit bereits 29 Jahren ist der Spieler ebenso an einem Scheidepunkt angekommen, wo Verletzungen sich in der Regel häufen und der Marktwert sinkt. Hazard ist verzichtbar, dürfte einen Markt haben und bringt gewisses Geld. Ähnlich wie bei Brandt wäre ein Verbleib verschmerzbar, aber die Trennung wäre auch die Lösung, welche man klar anstreben sollte.

Fazit: Verbleib wäre verkraftbar, Trennung wäre aber richtig

Marius Wolf

Wenig Unterschiedsfaktor, hohes Gehalt, dafür aber eine lobenswerte Arbeitseinstellung und vielversprechende Athletik. Wolf passst zu Rose, auch wenn er eine Qualitätsklasse höher spielen dürfte für seine Kosten. Es wird aber bestimmte Rollenspieler benötigen, zudem scheint Wolf ein wichtiger Teil in der Kabine zu sein. Ein Verbleib von Wolf wäre die stark bevorzugte Variante, da er den flexiblen Rollenspieler-Platz von Thorgan Hazard übernehmen könnte. Bei dem hohen Gehalt und der Ersetzbarkeit Wolfs müsste man bei einem guten Angebot allerdings mit Wolf reden, was dieser bevorzugt. Möglicherweise verlängert man den Vertrag auch um ein Jahr und veringert das Gehalt. Zur Entwicklung einer Idendität könnte Wolf allerdings seinen Beitrag leisten.

Fazit: Verbleib von Wolf, aber nicht unverkäuflich

Ich denke, dass sich die Verkäufe von Schulz, Guerreiro, Can, Brandt und Hazard realisieren lassen. Meunier würde ich mit Hinblick auf Morey behalten, könnte man aber genauso abgeben. Wolf ebenso als flexiblen Kaderspieler. Dahoud sollte bei dem äußerst dünnen Mittelfeld entweder um ein Jahr verlängern, oder man riskiert ihn 2023 ablösefrei zu verlieren.

So könnte der BVB Kader mit Abgängen aussehen:

Mit Hinblick auf ein 3–5–2, welches ich primär kommende Saison erwarte, würde es wiefolgt aussehen:

Natürlich können einzelne Position auch anderweitig gespielt werden von den gelisteten Spielern. Trotzdem finde ich mit Ansicht einer solchen Anordnung auffällig, wieviele Stürmer verfügbar sind. Mit Hinblick auf die Entwicklung von Moukoko und/oder Fink würde ich eigentlich einen der Beiden gerne verleihen. Da Moukoko für mich die höhere Qualität hat und ich ihm zu traue nach vollständiger Vorbereitung regelmäßig auf Bundesliga-Niveau (fit) zu agieren, würde ich ihn behalten. Fink sollte entweder direkt verliehen werden, oder nach der Vorbereitung mit Tigges in der U23/Bankplatz rotieren. Mit Hinblick auf die voraussichtliche Unterforderung von Fink mittelfristig in der U23, aber ebenso der bisher noch nicht vorhandenen Qualität für regelmäßige Einsätze in der Bundesliga, sollte Tigges definitiv als Rollenspieler vorerst bleiben . Moukoko könnte ebenso oft ausfallen. Dazu bringt Tigges ein anderes Profil und viele wichtige charakterlichere Werte mit.

Eine Leihe von Moukoko würde aber ebenso absolut vertetbar, aber, auch ohne Voreingenommenheit, nicht meine favorisierte Lösung.

Definitionen:

“Schlüsselspieler”: Spieler, die die Achse des Teams bilden und idR immer starten und den Unterschied machen können.

“Startelfqualitäten”: Spieler, welche man problemlos in der Startelf spielen kann, ohne ein mulmiges Gefühl zu bekommen.

“Rotationsspieler”: Spieler, welche bei Bedarf mal reinrücken können, allerdings rein qualitativ ein gewisser Leistungsabfall zu den Alternativen zu erwarten ist.

“Perspektivspieler”: Spieler, die äußerst schwankend in ihren Leistungen sein können und eher für die Zukunft gedacht sind.

Somit ergeben sich folgende Aufgaben für die Sommertransferperiode:

A Priorität:

  • Linksverteidiger, mit Startelfqualität
  • Variabler Spieler, welcher bestenfalls auf LV und in der Innenverteidigung spielen kann, mit Startelfqualitäten
  • Rechter Innenverteidiger, welcher Dreier- wie Viererkette spielen kann, Rotationssppieler
  • Defensiver Mittelfeldspieler, mit Startelfqualitäten
  • Zentral (defensivorientier) Mittefeldspieler mit Startelfqualitäten, welcher viele Bälle gewinnt
  • Haaland-Ersatz (Startelf)

B-Priorität:

  • Dribbelstarker Offensivspieler (Startelf)
  • Rechter Schienenspieler (Startelf)
  • “Creator”/10ner, mit Startelf/Rotationsqualitäten (Rotation/Startelf)

C-Priorität:

  • Ein flexibler “Defensivanker”, welcher auf der 6 wie zentral in der IV spielen kann (Rotation)

Bestenfalls hat man final (mindestens) folgende Konstellation:

  • Auf jeder “Ebene” einen Schlüsselspieler: (done)
  • 10 weitere (Feld)-Stammspieler
  • 6 Rotations (Feld)-Spieler (pro Ebene bestenfalls zwei)
  • mind 3 Talente mit Perspektive (pro Ebene mind einen)

Ausschläge nach oben sind natürlich gut, aber nicht immer vom Vorteil. Hierdurch erhöhen sich die Fixkosten, die Einsatzzeiten für Talente würden wshl. sinken und das Training gestaltet sich schwieriger.

Perspektivspieler: Blau, Rotationsspieler: Gelb, Stammspieler: Gelb, Schlüsselspieler: Lila

Aktuell hat der BVB:

  • 8+1 Perspektivspieler
  • 5+1 Rotationsspieler
  • 7 Stammspieler
  • 3+1 Schlüsselspieler

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